Weg in den neuen Kalten Krieg
Scholl-Latour, PeterGemessen an den Spannungen, die unsere gegenwärtige Situation einer enthemmten strategischen Globalisierung kennzeichnen, mag uns der »Kalte Krieg von gestern« - nachdem einmal der apokalyptische Höhepunkt der Kuba-Krise überwunden war - als eine relativ verlässliche Kohabitation von zwei konträren Machtsystemen erscheinen. Diese lieferten sich zwar in irgendwelchen entlegenen Gegenden Stellvertreterkriege - »war by proxies« -, aber gleichzeitig bewährte sich eine Übung der gegenseitigen Konsultation und Mitteilung, die gelegentlich an Komplizenschaft grenzte. Im Schatten des Potenzials atomarer Vernichtung, über das die beiden Supermächte verfügten und das ein strategisches Patt erzwang, genossen die übrigen Staaten niederen Ranges ein beachtliches Maß an Sicherheit und Stabilität. Die Westeuropäer zumal konnten sich in Ruhe der Häufung ihres Wohlstandes widmen und sich auf mehr oder minder schnöde Weise jeder schicksalhaften Verantwortung entziehen.